Projekt „Starke Kinderkiste“ kommt in Kindergärten sehr gut an

 Lilly weiß noch genau, wofür das rote Kuschelherz steht: für Gefühle. Die Sechsjährige zählt auf: „Ich kann erschrocken sein oder mich traurig fühlen. Ich bin fröhlich oder sauer.“ Lilly hat gelernt, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und ernst zu nehmen. Genau das soll im Umgang mit dem Stoffherz bezweckt werden. Es ist Teil des Inhalts einer „Starken Kinderkiste“. Eben ist sie aus dem Schefflenzer Kindergarten zurückgekehrt in die evangelische Kindertagesstätte Neckarburken. Im vergangenen Jahr war die Kinderkiste schon einmal für etwa sechs Wochen hier. Lilly und rund 15 andere Vorschulkinder lernten, „spielerisch und mit viel Freude den eigenen Körper zu entdecken, den eigenen Grenzen und Gefühlen zu vertrauen und darüber zu sprechen“.

So beschreibt die Deutsche Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel die Intention, die hinter der Starken Kinderkiste steckt. Die Karlsruher Stiftung hat in Kooperation mit dem Kieler Petze-Institut für Gewaltprävention Konzept und Kisteninhalt entwickelt, das dem Schutz vor sexuellem Missbrauch von Kita-Kindern dienen soll. 2021 stieg der Lions-Club ElzNeckar ein, sponserte zwei Kisten mit einer Gesamtsumme von 5500 Euro.

Besonders Clubmitglied Falko Loy setzte und setzt sich für die Anschaffung und Verbreitung in den Kindertagesstätten des Landkreises ein: „2023 haben wir eine dritte Kiste angeschafft; sie werden in acht Kitas reihum eingesetzt, wobei sich jeweils zwei, drei Einrichtungen zusammentun.“ Mit den vorhandenen drei Kisten habe man daher noch Kapazität für weitere Kindergärten, ruft Loy dazu auf, sich an den Caritasverband und die Anlaufstelle gegen sexuellen Missbrauch an Kindern zu wenden, die die fachliche Begleitung des Projekts und die Schulungen der Erzieherinnen übernehmen (die RNZ berichtete erst vor wenigen Tagen).

Ziel ist es, den Landkreis flächendeckend mit dem Präventionsprojekt zu versorgen. Der komplette Lions-Club ElzNeckar sowie Aaron Geißelhardt von der Caritas wollten schon Ende vergangenen Jahres wissen, wie das von ihnen mitgetragene Präventionsprogramm im Kita-Alltag ankommt. „Wir haben mit Erzieherinnen der Kitas in Diedesheim und Schefflenz gesprochen. Das Feedback war sehr gut.“ In der Kita „Wirbelwind“ in Diedesheim sei das Projekt für alle Altersgruppen angeboten worden, berichtete Loy; das gesamte neunköpfige Team habe sich in die Materie eingearbeitet.

Nun besuchte Loy, der „nicht nur einen Scheck rüberreichen will“, auch den Kindergarten in Neckarburken, der seit Anfang des Jahres von Luisa Bingler geleitet wird. Sie ist von den Starken Kisten und der Idee, die dahinter steht, überzeugt. „Das ist alles sehr gut durchdacht.“ In der Neckarburkener Kita habe die Ich-Stärkung sowieso einen hohen Stellenwert, aber ein speziell auf die Gefahr sexuellen Missbrauchs ausgerichtetes Programm kannte man hier nicht.

Bingler weiß so gut wie Loy, dass dies ein Tabuthema ist. „Statistisch betrachtet ist in jeder Gruppe – ob Kita- oder Schulkind – eines betroffen.“ Und das sind nur die polizeilich erfassten Fälle; die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Für Loy waren vor zwei Jahren diese erschreckenden Zahlen ein Auslöser für das Engagement des Lions-Clubs, sodass er das Starke-Kinderkisten-Projekt anschob.

Die Kinder, erzählt Luisa Bingler weiter, hätten den ersten Einsatz der Kinderkiste mit großem Interesse erlebt. „Sie können praktisch mitmachen, sich einbringen. Es war was richtig Besonderes für sie.“ Da sind zum Beispiel die dunklen und die bunten Geheimnis-Säckchen. Bingler hat sie in „Heimarbeit“ nach dem Mustersack aus der Kiste für jedes Kind genäht. „In den dunklen Sack kommen die schweren Geheimnisse der Kinder, in den bunten die schönen, spannenden.“ Das sei alles sehr kindgerecht durchdacht und gemacht. Selbstverständlich wurden Eltern und das Erzieherinnenteam eingespannt, für Letzteres steckt in der Kinderkiste – neben gut zwei Dutzend Kinderbüchern – pädagogische Fachliteratur. In Neckarburken wurde sogar für jedes Kind eine Mappe mit Arbeitsblättern und veranschaulichenden Bilder und Texten angelegt, die die Erzieherinnen bei ihrer Arbeit unterstützen. 

Weil Luisa Bingler die Schulung für die pädagogischen Fachkräfte wichtig ist, nutzte sie die Gelegenheit des Besuchs von Falko Loy, diesen zu bitten, sich dafür einzusetzen, dass weitere Schulungen angeboten werden. Das sagte der Gast vom Lions-Club gern zu, da er von der Sinnhaftigkeit des Starke-Kinderkiste-Projekts einmal mehr überzeugt wurde. „Es ist schließlich besser, etwas zu tun, bevor das Kind in den Brunnen fällt.“

Info: Kindertagesstätten, die beim Projekt Starke Kinderkiste mitmachen möchten, können sich an Aaron Geißelhard (Caritasverband) wenden, Tel.: 06261 92010. In der Buchener Anlaufstelle ist Elvira Willy-Schäfer unter Tel.: 06281 32550 zu erreichen.

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung vom 28.2.2023, Text: Brinkmann

Kindergartenleiterin Luisa Bingler (r.) hat die „Starke Kinderkiste“ fürs Foto geöffnet, auch wenn das damit verbunden Präventionsprogramm erst nach Ostern in Neckarburken dran ist. Falko Loy vom LC ElzNeckar (3. v. l.) hat es im Kreis mit auf den Weg gebracht. Foto: Brinkmann